Bericht Nummer 12 – Canal du
Midi 26. Januar bis 22. März 2007
Keine
Pleiten, Pech und Pannen mehr. Der neue Generator ist eingebaut. Verglichen
mit dem alten flüstert er leise vor sich hin – kein Wunder,
es ist kein Einzylinder sondern ein Dreizylinder, er läuft nur mit
1500 Touren und nicht mit 3000 wie der alte, und gut gekapselt ist er
auch. Aber was für ein Aufwand, dieses große, schwere Ding
(270 kg) in unseren Maschinenraum zu bringen! Er ist größer
als der alte, also musste erst mal Platz geschaffen werden. Das war nicht
so einfach, denn durch meine grandiose Idee, die Hauptmaschine zwecks
Lärmvermeidung kapseln zu lassen, müssen für alle Arbeiten
an der Maschine sämtliche schweren Teile der Verkleidung ausgebaut
werden. Dann musste Per erst die Außenwasserdruckanlage umbauen
und verlegen und schließlich aus Winkeleisen ein neues Fundament
für
den Generator zusammenschweißen. In Berlin hatte ich noch ein wenig
gemault, als auch noch ein neues Schweißgerät gekauft werden
musste, jetzt war ich froh, dass wir es haben. Trotzdem blieb bis zum
Schluss die bange Frage, ob trotz allem Ausmessen der Generator am Motor
vorbei in die linke Ecke zu bringen ist. Als Per nach drei Tagen Arbeit
im Maschinenraum wieder auftaucht und das große Ereignis stattfinden
soll, regnet es in Strömen. Am Nachmittag des 25. Februar schließlich
kommt die Sonne vor und der immer fröhliche, hilfsbereite Philippe
von der Locaboat-Station kommt mit dem Gabelstapler. Per hebt per Hydraulik
den Mast
ein Stück an, Philipp lässt den Generator am Gabelstapler schweben,
senkt ihn ab - und es klappt, knapp kommt er an der Hauptmaschine vorbei.
Aber Per klemmt zwischen Generator und Motor und hat Mühe wieder
herauszukommen. Mit Holzklötzen, Eisenstangen, Spanngurt, Anheben,
Ablassen, Drücken und Schieben und unter Aufbietung aller Kräfte
gelingt es ihm schließlich das riesige Ding an seine Stelle zu bugsieren.
Aber dann ist er wirklich völlig fertig. Als nach ein paar Stunden
weiterer Arbeit der Generator angeschlossen ist, läuft und brav 230
V produziert, ist es Zeit für Champagner.
Eigentlich sollte es jetzt auf dem Canal du Midi weiter gehen Richtung
Bordeaux, aber große Enttäuschung – der Kanal ist ab
Carcassonne geschlossen. Es hat in diesem Winter viel zu wenig
geregnet, Schnee gab es in den „Montagne Noir“ (Ausläufer
der Cevennen) auch nicht. So sind die Wasserreservoire, die den Kanal
hinter Carcassonne speisen, nur zu 25 % gefüllt. Es ist ungewiss,
ob er in diesem Jahr überhaupt geöffnet wird.
Wir hätten an der Locaboat-Station in Argens bleiben können.
Von weitem sieht der Ort großartig aus, ist aber ziemlich tot. Das
hoch aufragende Schloß ist in Privatbesitz – betreten verboten.
Außerdem gibt es nur einen sehr kleinen Laden mit einem witzigen
Angebot von Kunstblumen, Handfegern, Klamotten bis zu Eiern und dem unvermeidlichen
Baguette. Der nächste Ort mit Supermarkt ist 8 km entfernt. Zu weit
für den schnellen Einkauf.
Also fahren wir die 40 Kilometer zurück zu unserem Lieblingsort Poilhes
in der Nähe von Capestang. Seit dem Tag unseres Barbecues am 17.
Januar war es kühler geworden. Obwohl die Temperaturen tagsüber
oft noch zwischen 15 und 20°C lagen und man draußen in der Sonne
sitzenkonnte,
gab es auch Tage mit 11°C, starkem Wind und Regen. Da sind die Außenaktivitäten
stark reduziert. Unsere englischen Nachbarn Mike und Benny nehmen uns
im Auto zum Einkaufen mit, wann immer wir das wollen, und wir sind dankbar für
diese Annehmlichkeit. Per hat festgestellt, dass das Teakdeck komplett
abgeschliffen werden muss. Diesmal soll es perfekt für immer sein,
so fällt die Wahl auf Coelan, eine Beschichtung, die 6-mal aufgetragen
werden muss. Das heißt jedoch, das Deck komplett mit Bandschleifer
und Schwingschleifer abschleifen, Schutzdach gegen Regen und Vogelsch…
bauen und dann jeden Tag eine Schicht auftragen. Nach tagelanger Arbeit ist es geschafft, aber
nicht nur das, es gab noch viel mehr zu schleifen und zu streichen und
wir waren fleißig dabei, bis Moses hübsch frühlingshaft
herausgeputzt war.
Trotzdem war noch Zeit für schöne Unternehmungen. Bei einer
Radtour am 28. Januar
sehen wir die ersten Blüten an einem Mandelbaum – es wird Frühling.
Bald sieht man überall blühende Bäume. Auch unter den noch
kahlen Weinstöcken regt sich der Frühling. Teilweise ist der
gesamte Boden mit Blumen bedeckt. Aber der Winter ist noch nicht vorbei.
An einem Morgen ist die Sicht so gut, dass wir in der Ferne die schneebedeckten
Gipfel der Pyrenäen sehen.
Mit der Kanadierin Jeanne können wir zur Besichtigung von Narbonne
fahren. Auf dem Rathausplatz sind die Reste der römischen Via Domitia
(um 120 v. Chr.) freigelegt. Staunend und ehrfürchtig stehen wir
vor dem Rest dieser mehr als 2000 Jahre alten Straße. Eindrucksvoll
auch die Kathedrale mit ihrem 41 m hohen Chor. Die Markthalle ist ein
prächtiges Belle-Epoque-Gebäude, und mit dem Kauf eines edlen
hellen Olivenöls aus der Region tun wir was für unser leibliches
Wohl.
Als Jeanne und Rick uns anbieten, ihren alten Volvo (288.000 km hat er
runter) auch mal ganztags zu benutzen, greifen wir begeistert zu. Die
erst Tour geht über Narbonne hinaus Richtung Mittelmeer. Das Wetter
ist scheußlich, trotzdem ist die Fahrt ein Erlebnis. Wir kommen
vorbei an feuchten Flächen mit Pflanzenbüschen, die wir auch
schon in der Camargue gesehen haben, dann wieder Hügel, bewachsen
mit grünen Sträuchern, dazwischen der nackte Fels. Plötzlich
sehen wir neben uns große Vögel mit schwarzen Köpfen,
schwarzen Beinen, schwarzen, nach unten gebogenen Schnäbeln und weißem
Gefieder. Wir sind ratlos und stellen am nächsten Tag über das
Internet fest, dass es Ibisse gewesen sind. Die kannten wir bisher nicht
mal aus dem Zoo. Ein Stück weiter stehen in einer Lagune Flamingos
und am Ende liegt malerisch Gruissan mit einer Schlossruine auf der Hügelspitze.
Jetzt ist alles still, aber im Sommer muss es hier hoch hergehen. Zahllose
Segelboote liegen im Hafen, ein gesonderter Ortsteil besteht nur aus Ferienhäusern.
Wir umrunden die hügelige Halbinsel mit ihrem niedrigen Bewuchs zwischen
Felsgestein und, wo immer es möglich ist, Weinfelder. Auf einem der
zahllosen Weingüter steigen wir aus zu einer Kostprobe und kommen
natürlich mit ein paar Fläschchen wieder heraus.
Wein spielt die Hauptrolle hier. Da wir fast nichts anderes sehen als
Wein, erscheinen uns 80 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche
mit Weinreben bepflanzt zu sein. Einfach schwindlig werden ist preiswert,
in den Kooperativen gibt es den Liter im Kanister für 1 €. Aber
es werden auch anspruchsvolle teure (ganz überwiegend Rot-) Weine
produziert.
Die „ Langue d’oc“ (Okzitanisch) existiert übrigens
auch noch, viele Orte sind zweisprachig ausgeschildert. Von älteren
Leuten soll die Sprache auch noch gesprochen werden.
Inzwischen ist es März, die Tage werden deutlich länger. Am
01. März geht die Sonne morgens um 7.34 auf und um 18.42 h wieder
unter. Im Vergleich zu Berlin ist es morgens länger dunkel, dafür
genießen wir die längere Helligkeit am Abend.
Eine Woche später haben wir wieder die Möglichkeit, mit dem
betagten Volvo eine Tour zu machen.
Sie geht diesmal in den Regionalpark des Languedoc. Wir kommen sehr schnell
in bergiges Gelände, aber die Landschaft bleibt mediterran, d.h.
Weinanbau, Olivenbäume, Zypressen, Pinien. Leider ist auch diesmal
das Wetter nicht auf unserer Seite. Der Wind ist so heftig, dass man kaum
aussteigen mag und auch die Sicht ist schlecht. Trotzdem ist die Fahrt
sehr lohnend. Wir suchen uns natürlich die kleinsten und kurvigsten
Straßen aus und gelangen schließlich auf die Passhöhe
des Col de Frontfroide. Er ist nur 1000 m hoch, aber da wir auf Meereshöhe
begonnen hatten, erscheint er uns viel höher. Als wir auf der anderen
Seite wieder herunter fahren, sind wir unvermittelt in einer völlig
anderen Landschaft. Kein Wein mehr, sondern Wald mit Buchen und Nadelbäumen,
an den Stämmen dicke Moospelze. Dazwischen gibt es satte Wiesen und
sogar grasende Kühe. Reichliche Niederschläge auf dieser Seite
der Berge machen es möglich.
Schließlich fahren wir noch nach Minerve. Ursprünglich war
es eine Festung der Katharer, die 1210 erobert wurde. 180 Katharer, die
ihrem Glauben nicht abschwören wollten, wurden hier verbrannt. Schon
vor dem Dorf sehen wir in die tiefe Schlucht, die sich der Fluss Cesse
in das Kalkgebirge gegraben hat. Bei Minerve gibt es gewaltige Ponts naturels,
natürliche Brücken, die durch den Fluss gebildet wurden. Der
Ort trägt heute die Auszeichnung, einer der schönsten Frankreichs
zu sein, und wir können das nur bestätigen. Er wird jedoch total
vom Tourismus beherrscht und ist jetzt entsprechend tot.
Durch Minerve wächst unser Interesse an dem Schicksal der Katharer
und wir lesen ein bisschen nach: Ihr Glaube kam ursprünglich aus
Bulgarien und gehört zu den religiösen Erneuerungsbewegungen
des Mittelalters. Er fasste im 12. Jh. in Okzitanien Fuß, speziell
in Albi (daher werden sie auch Albigenser genannt). Die katholische Kirche
fürchtete um ihre Macht, 1208 rief Papst Innozenz III. zum Kreuzzug
gegen die Katharer auf. (Übrigens – das Wort Ketzer ist eine
Ableitung von Katharer.) Besonders Simon de Montfort tat sich mit Grausamkeiten
hervor. Als die Stadt Béziers sich weigerte, 222 Katharer auszuliefern,
wurden alle Einwohner (etwa 18.000) hingemetzelt nach der zynischen Parole:
„Tötet alle, der Herr wird die Seinen erkennen“. Nach
und nach wurde das ganze Land grausam erobert. Die verbliebenen Katharer
zogen sich auf Festungen zurück, die ursprünglich als Grenzsicherung
in die Berge der Corbières (Ausläufer der Pyrenäen) gebaut
worden waren. Nach und nach wurden alle erobert und die geschlagenen Katharer
endeten auf dem Scheiterhaufen. Als letztes fiel Queribus 1255. Die Reste
dieser Burgen stehen noch heute. Sie kleben wie Adlerhorste hoch auf den
Gipfeln der Berge, und natürlich wollten wir wenigstens einige sehen.
Am 10. März bekommen wir noch einmal das Auto. Auf schnellstem Wege
fahren wir die 80 km bis Carcassonne, dann noch einmal 60 km bis Quillan.
Wenig später sind wir zwischen Kalksteinbergen, wo die Aude sich tief
in das Gestein gegraben und bizarre Schluchten geformt hat. Die Straße
windet sich durch eine Schlucht, wirkt wie angeklebt an die Felswände.
Nach einigen Kilometern weiter durch die gewaltige Felslandschaft erreichen
wir über einen Abzweig Puilaurens, eine der Burgen. Großartig
liegt sie da oben auf dem Berggipfel, schade, dass wir keine Zeit haben,
bis ganz nach oben zu laufen. Weiter geht die Fahrt durch das „Pays
Cathare“ mit seinen allgegenwärtigen Weinfeldern, bis wir in
die Georges de Galamus abbiegen. Wir sind schon viele Bergstraßen
gefahren, aber diese ist mit Sicherheit eine der eindrucksvollsten. Dicht
an
den Felsen geklebt, teilweise in den Felsen hineingehackt, nur 2,5 Meter
breit, windet sich die Straße am Felsen entlang, und ab und zu wird
ein atemberaubender Blick frei senkrecht nach oben und nach unten zu dem
kleinen Flüsschen Agly, das diese 300 m tiefe gewaltige Schlucht
geschaffen hat. Der heftige kalte Wind heult wie durch eine Düse
in dieser engen Schlucht und macht die Situation so bedrohlich, dass wir
froh sind, im geschützten Auto zu sitzen. Wenige Autos kommen uns
um diese Jahreszeit entgegen, aber bei jeder Begegnung ist ein Ausweichmanöver
an einer der wenigen geeigneten Stellen nötig. In der Hochsaison
möchten wir hier nicht unterwegs sein. Kurze Zeit später sehen
wir eine gigantische Bergkuppe gekrönt von einem nackten Fels in
der Ferne. Per sagt gerade: „Wenn ich Katharer gewesen wäre,
hätte ich mich hierher zurück gezogen.“ Er hätte
Katharer sein können, denn nach einigen Windungen der Straße
werden die Reste des phantastischen Chateau de Peyrepertuse sichtbar.
Es ist so geschickt in und an den Fels gebaut, dass es mit ihm zu verschmelzen
scheint und erst bei näherem Hinsehen zu erkennen ist. Wir fahren
bis zu dem Parkplatz, von dem aus die Touristen gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes
nach oben laufen können. Leider reicht unsere Zeit dazu
nicht. In der Ferne sehen wir schon die nächste Festung: Chateau
Quéribus. Auch hier kurbeln wir uns die Serpentinen hoch bis zum
Fuß des Schlosses, aber es ist schon fast 17 h, höchste Zeit
für die Rückfahrt.
In den nächsten Tagen steigt die Temperatur auf über 20°C.
Wir können zum ersten Mal wieder draußen grillen. Wir erfahren,
dass der Canal du Midi befahrbar ist und legen am 14. März in Poilhes
ab.
Der Canal du Midi ist an beiden Seiten überwiegend von Platanen gesäumt.
Noch sind keine Blätter an den Bäumen, daher können wir
über die Weinfelder und Hügel der Umgebung schauen, dazwischen
eingebettet sind kleine Dörfer. Es ist eine nette, aber wenig spektakuläre
Landschaft. Je weiter wir nach Westen kommen, desto geringer wird der
Weinanbau. Schließlich hört er ganz auf, nur noch plattes Land
mit Wiesen und Äckern liegt neben dem Kanal, und in der Ferne sind
zu beiden Seiten Hügelketten zu sehen. Das ist nach einiger Zeit
ein bisschen eintönig.
Lästig ist, dass wir uns noch bis Ende März für jede Schleusendurchfahrt
am Tag vorher telefonisch anmelden müssen. Da der Schleusenwärter
von einer Schleuse zur anderen fährt und auf uns wartet, ist ein
spontanes Anhalten nicht möglich. Das heben wir uns für
die Rückfahrt auf. Am zweiten Tag müssen wir morgens an
der ersten Schleuse auf ein weiteres Boot warten. Zwei junge
Französinnen sind auf einem Plastikkahn unterwegs. Wir fahren den
ganzen Tag gemeinsam. Der Schleusenwärter hat mir schon an der ersten
Schleuse gesagt, dass es nicht sein Job sei, die Leinen entgegen zu nehmen.
Die Schleusenmauern hier sind etwa 3 Meter hoch und die Poller zum Festmachen
noch einmal 2 Meter vom Rand entfernt. So gelingt es selbst Per nicht,
die Festmacher wie ein Lasso über die Poller zu werfen. Er muss mich
vor jeder Schleuse absetzen, dann einfahren, mir die Leine zuwerfen und
das Schiff beim heftig einströmenden Wasser alleine halten. Ein harter
Job, der selbst Per am Ende des Tages feststellen lässt, dass er
körperlich kaputt ist. Das nennt man Wassersport! Die Unwilligkeit
der Schleusenwärter ist insoweit unverständlich, als sie bei
den Schleusen hier nur Knöpfe drücken müssen, während
ihre Kollegen in den Kanälen Briare, Nivernais und Bourgogne noch
kräftezehrende Handarbeit beim Öffnen und Schließen der
Schleusentore und Schütze zu leisten haben.
Nach
zwei Tagen Fahrt erreichen wir Carcassonne. Gegenüber vom Bahnhof
ist der Hafen für Sportboote, durch einen kleinen Park daneben liegt
man hier ruhig und sicher. Natürlich geht es sofort mit den Fahrrädern
zur etwa 2 km entfernten „Cité“, der alten Befestigung
von Carcassonne. (Übrigens auch eine der ehemaligen Fluchtburgen
der Katharer.) Beeindruckend liegt die Burg weithin sichtbar auf einem
Hügel. Sie war weitgehend zerstört, wurde im 19. Jh. nach dem
Geschmack der Zeit wieder aufgebaut und wirkt ein bisschen wie Disneyland.
Obwohl noch keine Saison ist, sind an diesem warmen Frühlingstag
eine ganze Reihe Touristen am Herumwuseln. Der gesamte
Innenbereich der Burg besteht aus Restaurants und Läden mit allem
erdenklichen Andenkenkitsch. Trotzdem macht uns die Besichtigung Spaß,
aber im Hochsommer möchten wir uns hier nicht in die Massen einreihen.
Am Abend kommen die beiden Französinnen auf ein Glas Wein zu uns
an Bord. Es ist warm genug, um an Deck zu sitzen. Die Verständigung
ist nicht einfach. Chantal spricht überhaupt kein Englisch und das
Englisch von Laurence ist schlechter als unser Französisch. Mit einem
munteren Sprachenmix haben wir einen netten Abend.
Am 20. März dann morgens der große Schock – Schneeflocken
wirbeln durch die Luft, 4,3°C, nachmittags immer wieder Hagelschauer.
Kommt jetzt der Winter? Tatsächlich ist es am nächsten Morgen
noch kälter. Also ziehen wir Skiunterwäsche und Winterstiefel
an, bevor wir gemeinsam mit dem Boot der Französinnen durch die nächsten
Schleusen gehen. Chantal ist in Carcassonne ausgestiegen und Laurence
steuert das Schiff erstaunlich souverän alleine. In den Schleusen
macht sie ihr Schiff an unserer Seite fest, weil sie ja nicht zum Festmachen
aussteigen kann. An insgesamt 24 Schleusen springe ich wieder von Bord,
laufe zur Schleuse, nehme die (nassen) Leinen entgegen, halte die vordere
Leine, während Per mit der mittleren beide Schiffe festhält.
Der Wind ist schneidend kalt, die Temperatur liegt bei ca. 5°C, die
Handschuhe sind nass, die Finger schmerzen vor Kälte. Von wegen sonniger
Süden! Einfach Schluss machen und bleiben geht auch nicht, der Schleusenwärter
ist schließlich extra für uns abgestellt worden. Nach 35 Kilometern
machen wir in Castelnaudary fest. Wir sind kaputt, aber Laurence ist jung
und dynamisch. Sie kommt auf ein Glas Wein zu uns an Bord und bleibt fast
bis Mitternacht. Wir müssen die ganze Zeit französisch parlieren,
wobei sie zum Glück überwiegend spricht, aber wir mit abnehmender
Konzentration immer weniger verstehen. Am nächsten Morgen sind wir
wieder für 8.30 h bei der ersten Schleuse angemeldet, aber zum Glück
fahren wir heute nur 15 Kilometer und durch 8 Schleusen bis zum Scheitelpunkt.
Die Schleuse „la Méditerranée“ ist die letzte,
von der das Wasser ins Mittelmeer fließt, ab Schleuse „l’Océan“
geht es in den Atlantik, und es wird wieder abwärts geschleust. Am
„Col de Naurouze“ hat der Kanal mit 189 Metern seinen höchsten
Punkt erreicht. Hier steht auch ein Obelisk zu Ehren des genialen Konstrukteurs
Paul Riquet, dem wir natürlich unsere Referenz erweisen.
Dann wird es Zeit für eine Entscheidung über die Fortsetzung
unserer Reise. Wir wissen inzwischen von Laurence und dem Kanadier Rick,
dass die 40 km von hier bis Toulouse nicht reizvoll sind und die 40 km
danach sogar hässlich, weil Industriebauten, die Autobahn und die
Eisenbahn den Kanalrand säumen. Auch danach gibt es keine großen
landschaftlichen oder kulturellen Höhepunkte bis zum Abzweig der
Flüsse Baise bzw. Lot. Die beiden Flüsse sollen zwar sehr schön
sein, aber dafür hin und zurück etwa 400 Kilometer fahren, schien
uns die Sache nicht wert zu sein. Also entscheiden wir uns, dass der Scheitelpunkt
des Kanals unser Wendepunkt ist.
Zum Schluss etwas
Statistik:
Das haben wir bisher gefahren, durchfahren, unterfahren, überfahren
und befahren
Kilometer 3397
Schleusen 685
Städte 48
Orte 544
Tunnel 10
Aquädukte 14
Hub-, Dreh- und Klappbrücken 175
Feste Brücken 551
Unterschiedliche Fahrwasser 224 Diese Angaben
sind ohne Gewähr, aber im Großen und Ganzen stimmen sie. |