Canal du Midi
18. Dezember 2006
bis 25. Januar 2007
Pleiten, Pech und Pannen haben uns die
letzten fünf Wochen mal wieder verfolgt. Die wichtigsten vorweg,
bevor wir zu den schönen Erlebnissen kommen.
— Unter den Bodenbrettern eines
Morgens im Schlafzimmer alles voller Öl - das bedeutet einen
halben Tag auf Knien rumrutschen, mit
Inkontinenzeinlagen Öl aufsaugen (sehr hilfreich
für undichte Stellen an Bord), alle Dosen, Gläser, Töpfchen,
Tuben herausnehmen, abwischen und wieder
einräumen. Öl auch in der Bilge vom Vorschiff, vermutlich
aus einem defekten Kanister. Also auch
da aussaugen und auswischen.
— Pers provisorische Krone bricht beim ersten Probebeißen.
Der Zahnarzt kann sie kleben und bietet kostenlose Nachbesserung an,
falls sie vor unserer Rückkehr nach Berlin kaputt geht. Nettes
Angebot, aber kaum zu realisieren.
— Trotz vieler Versuche mit dem Ausrichten der Satellitenschüssel
empfangen wir plötzlich weder Radio- noch Fernsehsender. Satellit
Astra IB ist nicht mehr zu bekommen. Erst in Béziers gelingt
der Kauf eines 0-Modem-Kabels (macht mal einen solchen Einkauf
mit dürftigen Französisch-Kenntnissen), mit dem Per die Software
neu auf den Satelliten-Receiver aufspielen kann. Jetzt bekommen
wir alles über Astra IA.
— Der Generator geht häufig wegen Überhitzung nach wenigen
Minuten aus. Er zieht im Kühlwasserkreislauf Luft, aber Per bringt ihn immer wieder zum Laufen
— Der Wassereinlauf des Klos in der Dusche ist undicht, in der
Bilge steht Wasser. Also wieder aussaugen und auswischen, anschließend
Kloreparatur. Einige Teile sind völlig morsch, nix mehr zu machen
– nur noch Notfallklo.
— Am nächsten Tag ist im Bad alles nass. Wenn das Wasser
heiß wird, steigt der Druck in den Leitungen, eine Stelle wurde undicht, reichlich Wasser trat aus. Also
aufwischen, dann abdichten.
— Immer mal wieder streikt die Heizung – Düsenprobleme.
Nach dem letzten Ausfall baut Per die mitgenommene Ersatzheizung ein. Jetzt bleibt es warm.
— Versehentlich sind Waschmaschine und Geschirrspüler abwasserseitig
miteinander verbunden. Als der Geschirrspüler voll ist, laufen
die restlichen dreißig Liter in die Bilge. Wieder alle Bretter
hochnehmen, ausräumen, aussaugen, auswischen.
— Der Motor des Generators läuft, aber er produziert keinen
Strom mehr. Mit einem Flaschenzug über den Mast holt Per das riesige
schwere Teil an Deck und findet den Fehler: Durch ein kaputtes Lager
wurden Rotorwicklungen zerstört - mit Bordmitteln nicht
zu reparieren. Wir liegen in Poilhes, die netten Engländer vom
Schiff neben uns kennen einen Generator-Spezialisten in Sète und fahren uns samt Generator hin. Eine
Reparatur lohnt nicht, also muss ein neuer her. Bloß schade, dass
wir in Berlin noch mal 1000 € für
einen neuen Zylinderkopf investiert hatten.
Aber trotz aller Pannen hatten wir eine
schöne Zeit. Vor Weihnachten sind wir noch mal mit dem Bus nach Nîmes
gefahren, eine Stadt, die ich ganz besonders liebe. Der erste Weg führt
zur römischen Arena, dem riesigen Bau aus dem 1. Jh. n.Ch., in dem
einmal 24.000 Zuschauer
Platz fanden. So schön die Arena ist, der kalte Wind lässt uns
immer wieder ein geschütztes Plätzchen suchen, an dem man den
äußerst ausführlichen Informationen des Audioguides lauschen
kann. Man muss natürlich auch das Maison Carrée sehen, einen
römischer Podiumstempel, angeblich eines der besterhaltenen römischen
Bauwerke überhaupt. Daneben ist man gerade damit beschäftig,
eine Eisbahn aufzubauen.
Die kleinen Holzhütten werden mit weißem Material bedeckt,
damit es ein bisschen nach Schnee aussieht. Ein lustiger Kontrast zu den
vielen Palmen in der Stadt. Im üppig grünen Stadtpark „Jardin
de la Fontaine“ steht der Tour Magne. Schweißtreibender Aufstieg,
aber dann ein toller Blick. Was für eine schöne Stadt: Gepflegte
Häuser, eine große Fußgängerzone, einladende Plätze,
Stühle stehen draußen und tatsächlich, ein paar Leute
sitzen in der warmen Sonne – Nîmes hat Flair. Als Weihnachtsdekoration
weiß angespritzte Fichten und viele aufblasbare Weihnachtsmännern
und Schneemänner. Wie praktisch – alle Jahre wieder. Nur das
dauerhafte Gedudel aus Lautsprechern all überall ist etwas nervig.
Zum Abschluss ein Bummel über den Weihnachtsmarkt. Sieht eigentlich
aus wie in Deutschland, nur nicht so kalt.
Am 23. Dezember herrscht eine fröhliche Atmosphäre in St. Gilles.
Für die Kinder sind Hüpfburgen aufgebaut, eine Band im Weihnachtsmannkostüm
zieht durch die Stadt – Weihnachtslieder werden gespielt, aber die
jazzen und swingen durch die Straßen. Soviel Freude ist ansteckend.
Beim Fleischer stehen wir an für unser bestelltes Fonduefleisch.
Die Verkäuferin hört die Band, strahlt: „C’est la
fète“, und tanzt hinter der Ladentheke mit. Auch manche Kundenhüfte
kann sich dem Sound nicht entziehen. Nur die beiden steifen Deutschen
stehen ein bisschen linkisch rum. Abends gibt es „crèche
vivante“ – die lebende Krippe. Gold wert war der Tipp vom
Touristenbüro, schon um 17.45 h auf dem Platz vor der Kirche zu sein.
So erwischen wir gerade noch 2 Sitzplätze. Die Nacht ist kalt, +4°C.
Es ist bitter, bei der Temperatur bis zum Beginn um 19 h warten zu müssen.
Trotz warmer Klamotten kriecht die Kälte irgendwann durch. Punkt
19 h geht’s los, und die Schönheit der Bilder lässt uns
die Kälte kaum noch spüren. Maria und Josef reiten auf einem
Esel ein, setzen sich auf Stroh auf der Kirchentreppe und Engel übergeben
ihnen das Kind. Ein Engel verkündet von der Empore der Kirche die
frohe Botschaft, und die Hirten kommen mit Schafen und kleinen Lämmern.
Schließlich wird die Geschichte, wenn wir das richtig verstanden
haben, von einem Jungen der Gegend um St. Gilles noch einmal erlebt, der
erzählt sie weiter, und so gibt es einen guten Grund, viele Bürger,
Berufsgruppen, Honoratioren usw. in historischen Gewändern auftreten
zu lassen, die dem Kind huldigen. Sogar eine Zigeunergruppe ist dabei.
Alles ist so gestaltet und musikalisch untermalt, dass es keinen Augenblick
ins Schwülstige abgleitet. Zum Schluss erscheinen die Heiligen Drei
Könige auf echten Dromedaren. Fröhlich und erfüllt von
den schönen Bildern gehen wir zurück in unser warmes, gemütliches
Schiff.
Am nächsten Morgen schmücken wir Moses mit zwei Weihnachtsbäumen.
Es muss ja nicht immer Fichte sein. Von den umliegenden Lauben hat jemand
seine Zypressen gekappt, die die Grundstücke vor dem kalten Wind
schützen, und hat die abgeschnittenen Spitzen an den Wegrand geworfen.
Wir suchen uns eine kleine und eine größere Spitze aus, hängen
eine Flittergirlande rüber und fertig ist die Weihnachtsdeko.
Heiligabend wollen wir mit Moses alleine in netter Umgebung sein. Also
legen wir ab. Während Per Wasser bunkert, gehe ich noch einmal über
den Markt, um frisches Baguette zu kaufen. Kistenweise werden Austern
abgeschleppt. Je nach Größe kostet das Dutzend zwischen 2,60
und 8,50 €. An einem Stand knackt jemand Seeigel auf, ich sehe kleine
Muscheln, die sich öffnen und schließen, und ein schöner
dunkler Hummer auf Eis blinzelt mit den Augen. Meint er mich? Mir wird
fast schlecht, und ich beeile mich wegzukommen.
Bei Windstille und wolkenlosem Himmel geht’s in den Canal du Rhône
à Sète. Hier ist genau der richtig
Platz für unseren Weihnachtsabend, ein stabiler hölzerner Anleger
mitten im Nichts. Die Fonduesoßen sind schon fertig, Per hat sie
kreiert, während ich am Steuer stand. Es sind inzwischen Wolken aufgezogen,
wir können ganz in Ruhe den Sonnenuntergang genießen, dann
den Tisch decken, unsere Geschenke von Grit und Olaf auspacken und unser
Fondue mit einem guten Wein genießen. Nur Felix stört unsere
harmonischen Weihnachtsgefühle. Er fängt sich seinen Weihnachtsbraten,
schleppt ihn ins Cockpit und wir müssen die Todesschreie der kleinen
Maus mit anhören.
Es ist kalt geworden. Bei Sonnenaufgang und wolkenlosem Himmel sind es
-2° Moses ist mit Raureif bedeckt. Nach kurzer Zeit führt der
Kanal durch den Etang d’Ingril, wir haben Wasser zu beiden Seiten,
an einigen Stellen staksen Flamingos herum, die Schnäbel zur Futtersuche
unter Wasser. Zügig kommen wir weiter bis Frontignan, aber hier ist
erst mal Schluss, die Hubbrücke ist geschlossen. Am Wärterhäuschen
ein Zettel: Im Winter wird an den Wochentagen nur nach telefonischer Anmeldung
einmal täglich um 13.30h die Brücke angehoben. Wir rufen an,
und dann ist Zeit für Ortsbummel und Weinprobe. Hinter Frontignan
stehen hässliche Raffinerien neben dem Kanal.
Doch nur fünf Kilometer weiter erreichen wir den Etang de Thau. Bei
Wind kann der Wellengang gefährlich
werden. Schilder verkünden: „Das Befahren ist ab 3 Windstärken
nicht mehr gestattet“. Uns bietet sich ein ganz anderes Bild: Beim
grellen Licht einer tief stehenden Wintersonne und totaler Windstille
überqueren wir diese große, tiefblaue flache Wasserfläche
direkt hinter dem Mittelmeer. Für die Nacht finden wir einen Platz
– sogar mit Stromanschluss - im malerischen Hafen von Marseillan.
Am Morgen steigt die Sonne als roter Ball über dem Wasser
auf und wieder überall Raureif. Wenige Minuten nach dem Ablegen fallen
wir uns in die Arme, wir haben es geschafft, wir sind im Canal du Midi.
Erbaut wurde er von Paul Riquet, 1681 eingeweiht, und heute sicher der
bekannteste Kanal Frankreichs. Ursprünglich eine Verbindung für
Frachtschiffe zwischen Mittelmeer und Atlantik, wird er heute nur noch
von Freizeitkapitänen genutzt. Für die Schleusen Bagnas und
Ronde d’Agde haben wir gestern telefonisch unsere Durchfahrt angekündigt.
Im Winter muss man spätestens am Tag vorher die Schleusendurchfahrten
anmelden, denn es sind keine Schleusenwärter dauerhaft im Dienst.
Punkt 11 h ist die Schleuse geöffnet, Frau Schleusenwärterin
steht bereit. Die nächste Schleuse (Prades) ist offen und bei Schleuse
Ronde d’Agde (die Schleuse ist wirklich rund) steht dieselbe Schleusenwärterin
und wartet schon auf uns. In Agde sollte man die schwarze Lavakirche besichtigen,
aber wir sind mal wieder zur Mittagszeit da, die Kirche ist geschlossen.
Kein Problem, auf dem Rückweg kommen wir hier wieder vorbei.
Ein paar hundert Meter hinter der nächsten Schleuse (Portiragnes)
ist der Kanal von einer Eisschicht bedeckt. Moses wird zum Eisbrecher.
Rechts und links schliddern Eisschollen zur Seite und Felix kommt verstört
nach oben. Unter Deck klingt das Krachen des brechenden Eises bedrohlich
- wir
finden den Anblick faszinierend. Einige Zeit später passieren wir
einen großen Vergnügungspark. Im Sommer ist hier wahrscheinlich
der Bär los. Danach folgt ein Stück wie aus dem Bilderbuch:
links eine Lagune mit Flamingos, rechts Felder mit Weinreben, in der Ferne
Mittelgebirgshügel. 40 % des französischen Weins kommen aus
dieser Gegend. In unserer Karte sind einige Häfen angezeigt, in denen
wir gerne bleiben würden, u.a. „Cassafières“.
Aber es sind Charterboot-Stationen, jetzt so randvoll mit Schiffen, dass
es für uns keinen Anlegeplatz gibt. Also weiter. Viel Zeit bleibt
uns sowieso nicht. Heute ist der 29. Dez., und bis zum Jahresende müssen
wir in Béziers sein. Schleuse Béziers wird am 31.12. geschlossen,
dann ist uns der Rückweg abgeschnitten und wir können nur noch
vorwärts weiter bis Toulouse. Schleuse Toulouse ist bis zum 01. März
zu, in den 200 km zwischen Béziers und Toulouse müssen wir
in den nächsten 2 Monaten bleiben.
Die Fahrt auf dem Kanal ist ab Villeneuve nicht schön. Eine viel
befahrene
Straße auf der einen Seite, streckenweise sogar Straßen auf
beiden Seiten, Bebauung, Industrieanlagen. Hinter der Schleuse Béziers
ist der Stadthafen. Anlegen kostenlos, ausreichend Platz, Neubauten um
den Hafen – kein Traumplatz. An der Kaimauer stehen noch die Kästen,
die früher einmal Strom und Wasser boten. Die Stromanschlüsse
wurden zerstört, an einigen Säulen ist der Wasserhahn noch in
Ordnung.
Per Fahrrad machen wir uns an den schweißtreibenden Anstieg in die
Innenstadt. Auf dem Prachtboulevard ist z.Zt. ein riesiger Rummel, daher
ist von Pracht nicht viel zu sehen. Der erste Eindruck von der Stadt lässt
unser Herz nicht höher schlagen. Am schönsten finden wir Béziers
von weitem. Es liegt am Fluss l’Orb auf einem Hügel und wird
überragt von der riesigen Kathedrale St.- Nazaire (12.-14. Jh).
Silvester – es ist sonnig und warm. Ich habe mir gerade einen Stuhl
an Deck gestellt und lese in der warmen Sonne, als ein Deutscher auf einem
Fahrrad vorbei kommt und mich anspricht. Er ist 70 Jahre alt, hat lange
auf einem Boot gelebt und ist hier unten hängen geblieben. Jetzt
wohnt er in einer Hütte in den Weinbergen, die er mit dem Einverständnis
des Weinbauern in Besitz genommen hat. Er erzählt wilde Geschichten
von Einbrüchen auf Schiffen und rät uns, niemals das Schiff
gemeinsam zu verlassen. Als er sich für den Abend bei uns einladen
will, sind wir etwas verschreckt, so viel Nähe wollten wir denn doch
nicht. Er ist sichtlich traurig, denn sein Französisch scheint nicht
besonders zu sein und er hat daher wohl selten jemanden zum Reden.
Silvester gibt’s wie üblich Fondue und um 0 Uhr gehen wir zum
Anstoßen an Deck. Neben uns sind Neubauten mit vielen Wohnungen.
Aber nur in zweien davon ist Licht und es wird gefeiert. Niemand steht
auf der Straße, niemand knallt. Wären wir in der Natur gewesen,
hätten wir damit kein Problem gehabt, aber hier stehen wir etwas
verloren rum. Wir freuen uns darauf, im nächsten Jahr wieder mit
Freunden zu feiern.
Bis zum 4. Januar bleiben wir noch in Béziers, viel mit dem Kampf
gegen die eingangs erwähnten Pleiten,
Pech und Pannen beschäftigt, aber trotzdem unternehmen wir einige
Radtouren durch das Gassengewirr der Stadt und in ihrer Umgebung.
Nach Béziers überqueren wir den Fluss l’Orb auf einer
mächtigen Kanalbrücke aus Stein mit Bögen wie ein Aquädukt,
von der wir noch einmal einen herrlichen Blick zurück auf die Stadt
haben.
Dann kommt der Anstieg von Fonsérannes, 13,6 Meter sind über
eine Schleusentreppe mit sieben Schleusen zu überwinden. Nach unseren
Büchern gibt es hier ein Schiffshebewerk (Schrägaufzug). Die
Schiffe fahren in einen Trog, dieser wird dann von einem Laufkran eine
Schräge herauf bzw. herunter gefahren. Das System wurde zwar vor
20 Jahren fertig gestellt, hat aber nie funktioniert und steht nun als
technisches Denkmal in der Landschaft. Mit dem Schrägaufzug sollte
der Höhenunterschied in 6 Minuten geschafft sein, über die Schleusentreppe
dauert es eine knappe Stunde. Im Sommer gibt es angeblich Wartezeiten
bis zu einem
Tag, aber heute werden wir sofort zur angemeldeten Zeit geschleust und
sind die einzigen in den Schleusenkammern. Per macht die Schleusung alleine,
das ist sehr mühsam, zumal die Schleusenkammern im Kanal alle oval
sind und das Wasser mit gewaltiger Wucht hereinrauscht. Ich werde gebraucht,
um von außen zu fotografieren und zu filmen und die Leine anzunehmen.
Danach sind wir in der großen Stauhaltung, 54 Kilometer ohne Schleusen,
aber dafür der Tunnel von Malpas. Er ist zwar nur 161 Meter lang,
war aber der erste Kanaltunnel weltweit. Paul Riquet, der geniale Konstrukteur
des Canal du Midi, hat ihn gegen die Skepsis seiner Zeitgenossen durchgesetzt.
Dunkle schlanke Zypressen bilden nach der Tunneldurchfahrt ein Spalier
am Ufer, aber überwiegend breiten Platanen ihre Zweige wie ein Dach
über den Kanal und geben im Sommer angenehmen Schatten. Ihre Wurzeln
halten die Kanalböschung fest, so dass keine weitere Uferbefestigung
notwendig ist. Wir fragen uns, warum in Deutschland noch niemand auf diese
preiswerte Lösung gekommen ist.
Eine Nacht bleiben wir am kleinen Anleger von Poilhes, passieren am nächsten
Morgen den Ortsausgang, wo ein paar Schiffe liegen. Von einer hübschen
Tjalk aus werden wir gefragt, wo wir hinwollen.
Die Leute scheinen nett zu sein, der Platz gefällt uns, und so beschließen
wir ganz spontan anzulegen. Eine Frau kommt auf uns zu, will eine Leine
entgegen nehmen. Was in Deutschland selbstverständlich ist, erlebt
man hier so gut wie nie. Auch vom benachbarten Boot begegnet man uns ausgesprochen
freundlich. Es stellt sich heraus, dass unsere unmittelbaren Nachbarn
Engländer sind, das Pärchen von der Tjalk ist aus Kanada und
die beiden von dem großen Hotelwohnschiff (30 m lang) sind Belgier,
die sogar Deutsch sprechen. Wir schildern das Problem mit unserem Generator,
daraufhin dürfen wir an den Stromanschluss der Kanadier, an dem auch
schon die Engländer hängen. Die Kanadier haben einen Vertrag
mit VNF (die zuständige Stelle für alle Wasserstraßen)
und darüber den Stromanschluss bekommen. Die Engländer haben auch einen
Vertrag mit VNF und zahlen als Pacht für 15 Meter Uferstreifen 260
€ im Jahr. Sie liegen in Poilhes seit 2 1/2 Jahren und wohnen in
einem kleineren Boot als unseres. Sollen wir hier bleiben und die Wohnung
in Berlin aufgeben? Finanziell würde es uns richtig gut gehen. Aber
ein Leben an einer französischen Kanalböschung? Die Engländer
finden es prima und wollen hier nie wieder weg. Das Wetter zumindest spricht
für einen langen Aufenthalt. Auch wir liegen jetzt schon drei Wochen
hier und haben
viel herzliche Hilfe bekommen. Am wärmsten Tag während dieser
Zeit (18°C) haben wir eine Grillparty veranstaltet. Per hatte wieder
so viel Essen zubereitet, dass wir gleich am nächsten Tag noch
mal gemeinsam essen konnten. Hier haben alle viel Zeit.
Der Kanal verläuft hoch über dem Tal, bei Spaziergängen
und Radtouren hat man einen weiten Blick über die Weinfelder und
zum hübschen etwa 4 km entfernten Städtchen Capestang. Eine
Radtour führte uns zum Oppidum d’Ensérune. Die Ausgrabungsstätte
einer iberischen Stadt aus dem 6. Jh. v. Ch. liegt auf einem Berg in der
Ebene. Von hier sieht man auf der einen Seite bis zu den Pyrenäen
auf der anderen zu den Cevennen. Doch es gibt nicht nur schöne Aussicht
und Kultur, sondern auch was Nahrhaftes. Überall auf der Wiese duftet
es nach Kräutern, Thymian und Rosmarin soviel wir wollen. Im Tal
liegt eine seltsame kreisförmige Anlage, sternförmig bepflanzt.
Es ist der abgelassene ehemalige See von Montady.
Seit drei Tagen es ist kälter geworden. Heute, am 25. Januar, hatten
wir morgens -4°C, aber vom wolkenlosen Himmel lacht die Sonne. Für
unser Generatorproblem ist eine Entscheidung gefallen. Wir haben einen
gebrauchten 6,5 kW Generator für 7.500 € gekauft. Zwar würden
wir nur einen für 3,5 kW brauchen, aber der hätte neu insgesamt
etwa 11.000 € gekostet. Zum Glück haben wir noch einen großen
Topf Erbsensuppe und müssen daher nicht verhungern.
In etwa 2 Wochen werden wir ein Stück weiter in Argens auf der Locaboat-Station
sein und dort den Generator einbauen können.
Drückt uns die Daumen, dass alles klappt!
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