Mit „James“ von Friesland bis
in die Ardennen
08. bis 28. Juli 2006
um die Bilder zu vergrößern mit der
Maus anklicken
Per, es kommt Besuch, wir müssen
putzen! Wir sind noch mitten dabei, als die neue Crew mit Kathrin, Bert,
Ines und Carlo kommt und den Steg als erstes mit Bierfässern voll
stapelt - es gibt ja eine Zapfanlage an Bord. Stundenlang werden dann
Sachen vom Auto ins Schiff und umgekehrt geschleppt. Die Hitze ist groß,
also probieren wir zwischendurch, ob das mitgebrachte
Bier auch gut ist. Schließlich stärken wir uns bei der „Sluiszicht“
(Schleusensicht) mit Pannekoken, einem Nationalgericht der Niederländer.
Es kommen große dicke Pfannkuchen auf den Tisch mit Speck, oder
Schinken und Käse. Als seien das noch nicht genug Kalorien, gehört
noch ein großer Klecks Butter drauf. Abends gibt es wieder Live-Musik.
Ein Chor von Damen, überwiegend in gesetztem Alter, hat sich in
historisch nachempfundene Kleider gehüllt und singt, was die Kehle
hergibt. Der Hafen ist jetzt randvoll, man liegt teilweise im Päckchen,
die Restaurants sind gut gefüllt, die Einwohner sitzen vor ihren
Häusern - und überall flackern Kerzen. Wir genießen
das alles, bis es 21
h wird: Heute spielt Deutschland gegen Portugal. In einer kleinen Kneipe
wird das Spiel übertragen, Holländer und Deutsche sitzen einträchtig
beieinander, und auch die Holländer sind für Deutschland.
Per und ich verbringen anschließend unsere erste Nacht im Wohnmobil
außerhalb von Blokzijl auf einem Parkplatz. Noch
fällt uns die Umstellung von dem üppigen Platzangebot auf
„Moses“ auf die wenigen Quadratmeter eines Wohnmobils schwer,
doch dafür liegen drei Wochen ohne Basteln vor uns. Denkste! Am
nächsten Morgen kommt aus den Wasserhähnen des Wohnmobils kein Wasser, die
Wasserpumpe ist kaputt. Per taucht ein in den Bauch unseres Schiffes
und taucht mit einer Pumpe wieder auf. Sie passt nicht ganz, der Schlauch
wird mit der Lötlampe passend gemacht und dann – Wasser marsch!
Ich verspreche, nie wieder über Pers schwimmenden Baumarkt zu spotten.
Die Wege der neuen Crew und unsere trennen sich. Dreimal winken wir
an unterschiedlichen Stellen den Vieren und und unserem Kater „Felix“
hinterher, dann beginnen wir eine Tour durch die Städtchen der
Bundesländer Friesland und Overjissel. Zuerst Hasselt, dann Zwolle,
besonders schön Kampen, dann Lemmer am Ijsselmeer. In allen Städtchen
ist der überwiegende Teil der niedrigen Häuser aus roten Ziegeln,
und viele stammen noch aus dem 17. Jahrhundert. Bei Lemmer besichtigen
wir die „Dampfkathedrale“, das einzige
dampfbetriebene Schöpfwerk der Welt, das noch immer genutzt wird.
Ist der Wasserstand zu hoch, können hier 6 Millionen Kubikmeter
Wasser in 24 Stunden aus dem
Friesischen Meer ins Ijsselmeer gepumpt werden. Nächste Ziele sind
Woudsend, Heeg und schließlich noch einmal Sneek, wo wir zwar
schon mit Moses waren, aber wir waren nicht im Schifffahrtsmuseum. Schiffsmodelle
historischer Plattbodenschiffe und ihre Herstellung mit den Möglichkeiten
früherer Jahrhunderte nehmen einen breiten Raum ein und interessieren
uns natürlich besonders.
Die Sonne brennt immer gnadenloser, Stadtbesichtigungen werden mühsam,
es zieht uns an die Nordsee. Wir folgen der Empfehlung des
Touristenbüros und fahren bis zu einem ruhigen Bereich nördlich
von Leuuwarden. Die Straße endet am Deich, und wir schauen von
oben über das
Wattenmeer. Hinter dem Deich finden wir den "Zwarte Haan“,
ein Restaurant mit einer Speisekarte, die nicht an Touristenfütterung
denken lässt. Nicht nur das Essen ist gut, wir fühlen
uns auch in dem schön gestalteten Gastbereich hinter dem Deich
sehr wohl. Als wir neben dem Restaurant noch ein kostenloses Nachtplätzchen
finden, ist die Welt völlig in Ordnung.
Bisher haben wir zwecks Schonung der Reisekasse immer umsonst gestanden,
uns dabei aber auch auf Parkplätzen am Hafen herumgedrückt.
Jetzt wollen wir mal Campingleben ausbreiten, Tisch und Stühle
vors Auto stellen. In Holland gibt es „Mini-Campingplätze“,
d.h.
kleine Plätze, häufig bei Bauern, die höchstens 15 Stellplätze
anbieten dürfen. Einen gibt es ganz in der Nähe in Kaatsgat.
Wir finden ihn hübsch und bleiben. Rundherum ist plattes Land mit
Kartoffel- und Weizenanbau, der Platz aber ist umgeben von Büschen
und Bäumen, 5 Camper stehen schon da, und es ist absolut ruhig.
Im Haus gibt es für die Camper sogar ein Wohnzimmer mit Sesseln, Fernseher und Spielen. 14 € pro Nacht einschließlich Strom sind
dafür sehr günstig. Am nächsten Tag fahren wir eine winzige
Straße hinter dem Deich entlang, kommen aber nur sehr langsam vorwärts,
weil wir uns immer wieder zwischen Schafherden
durchkämpfen müssen. Die netten Viecher weichen absolut nicht
aus, anscheinend wissen sie, wer hier Vorfahrt hat. Unser Ziel ist Harlingen
mit seinen vielen alten Plattbodenschiffen, überwiegend Zweimaster,
die Charterreisen in das Wattenmeer machen. Auf der Rückfahrt kommen
wir durch Orte mit so netten Namen wie Pietersbierum, Oosterbierum und
Sexbierum. Per meint, es würde ihm reichen, wenn einer fünf
Bier rum bringen würde – aber bitte sehr kalt.
Nach der Stille hinterm Deich fühlen wir uns fit für das wuselige
Amsterdam. Die nette Dame aus dem Navigationsgerät – Ansage:
Dritte Ausfahrt rechts abbiegen! - leitet uns bis zum Campingplatz.
Hier stehen die Wohnmobile dicht beieinander, warmes Wasser gibt es
nur nach Münzeinwurf, selbst das Toilettenpapier muss man selbst
mitbringen, aber wild stehen geht hier nicht und ist eigentlich auch
in ganz Holland verboten. Die nahe Metro bringt uns in die Stadt, es
geht durch Vororte, die nach Arbeiter-Intensivhaltung aussehen und die
anscheinend überwiegend von Farbigen
bewohnt werden. In Amsterdam treffen wir uns mit Freunden, die auf dem Weg sind
zu ihrem Schiff. Gemeinsam
erfrischen wir uns bei großer Hitze mit einem Bier, schlendern
wir durch die Altstadt, sind aber anscheinend im Rotlicht- und Coffeshop-Teil
gelandet. Tatooläden und Sexshops, und alles
wirkt schmuddelig. Die Damen hinter den Schaufenstern sind keine Puppen. Menschenmassen schieben sich
durch die schmalen Straßen, Fahrradfahrer wuseln dazwischen herum
und über allem steht die Hitze. Wir lassen uns durch die Straßen
treiben, essen eine Kleinigkeit für viel Geld und fahren müde
zurück. Die Nacht wird unangenehm, der Platz liegt dicht bei der
Autobahn, die Wohnmobile stehen so eng zusammen, dass man das Schnarchen des Nachbar hört. Am nächsten Morgen ist das Reichsmuseum unser erstes
Ziel. Begeistert stehe ich vor den Bildern der niederländischen
Maler des 17. Jahrhunderts, vor allem vor den Gemälden von Franz
Hals, Jan Vermeer und Rembrandt. Zur Besichtigung der „Nachtwache“
werden immer nur 50 Leute eingelassen, man muss eine Show mit Lichteffekten
und Geräuschen über sich ergehen lassen, die wir total
daneben finden. Aber wunderbar ist das Bild doch. Glücklich, beschwingt
und mit der Stadt versöhnt, verlassen wir nach (für mich viel
zu kurzen) 2 Stunden das Museum wieder. Trotz der Hitze laufen wir durch die Straßen
mit ihren beeindruckenden Häusern an den Grachten und geraten schließlich
auf den Hauptplatz, den Platz vor dem königlichen Palais. Hier
ist zwar kein Autoverkehr, aber es ist ebenso voll wie überall.
Die Lautstärke – zusammengesetzt aus Straßenmusikanten,
lauter Musik aus den Kneipen und dem Gewirr der Stimmen von Hunderten
schwatzender, lärmender Menschen – ist so unglaublich, dass
uns in unserer
Erinnerung Berlin wie ein stilles Plätzchen vorkommt. Durstig trinken
wir jeder ein Bier im Schatten vor einer Kneipe und zahlen dafür
11 €. Laufen wollen wir nicht mehr, also lassen wir uns bei einer
Grachtenfahrt eine Stunde durch die Stadt fahren, ehe wir noch eine
laute, heiße Nacht auf dem Campingplatz verbringen.
Dann aber nichts wie weg und auf nach Rotterdam. Im Rumpf von "Moses" ist eine Registriernummer eingeschlagen, und im Schiffskatasteramt soll man Auskunft zur Geschichte des Schiffes bekommen. Im Touristenbüro
telefoniert eine nette Frau lange für uns, das Ergebnis ist enttäuschend:
Unsere Bitte um Auskunft über unser Schiff kann nur schriftlich
gestellt werden.
Rotterdam ist keine schöne Stadt, aber auch hier müssen wir für 20 € auf den Campingplatz
gehen. Ein Schild weist darauf hin, dass für wildes Stehen
94 € Strafe fällig werden. Die Nacht wird eine Katastrophe: der Lärm der nahen Autobahn ist unerträglich, dazu kommen Hitze und Mücken.
Noch einmal erholen wir uns auf einem Mini-Campingplatz neben einem
Bauernhaus in wunderbarer Stille, ehe es nach Brügge geht, einer Stadt, die ich schon seit Jahren sehen möchte.
Wieder eine Nacht auf einem Campingplatz bei drangvoller Enge und großer Hitze. Mit dem Bus machen
wir uns auf in die Stadt. Schon der erste Eindruck ist überwältigend
– die gesamte Altstadt ist ein einziges Museum. Es gibt zwischen
den Häusern aus dem 16. und 17.
Jahrhundert keine Neubauten, und jedes Haus ist für sich sehenswert.
Nur in der Hauptstraße haben Allerweltsläden mit Klamotten
und Touristenschnickschnack den unteren Teil mit ihren Schaufenstern
zerstört, und man muss immerzu den Kopf in den Nacken legen, um
die Schönheit der Häuser zu sehen. Per möchte als erstes
in eine Kirche – nein, sein Interesse für Kirchen ist nicht
plötzlich erwacht, aber in Kirchen ist es kühl und draußen
kann man es heute kaum aushalten. Wir bleiben auch am nächsten
Tag in Brügge, und man könnte noch viel länger bleiben,
es gibt sooo viel zu sehen. Aber die Hitze und der übervolle
Campingplatz sind gewichtige Argumente für einen Aufbruch.
Entlang der belgischen Küste mit Badeorten, die so ähnlich
auch an der spanischen Küste stehen könnten, fahren wir weiter
nach Frankreich. Über Dünkirchen kommen wir zum Ort Watten und finden durch einen Tip vom örtlichen Touristenbüro am Fluss Aa (wirklich!) ein stilles Plätzchen, wo wir alleine stehen und zwei
erholsame Nächte verbringen. Ausgeruht geht es anschließend quer durch eine Landschaft mit Hügeln, Feldern und Wäldchen an die Küste der Normandie. Zwischen Sain-Martin-Boulogne und
Calais gibt die Straße immer
wieder Ausblicke über das Meer frei. Wir fahren durch eine zauberhafte Dünenlandschaft
und durch kleine überschaubare Badeorte. Am Cap Gris-Nez fällt die Küste steil ab ins Meer, und wir finden Platz mit
Blick über die Hügel zur einen und dem Meer zur anderen Seite.
Spaziergänge an der Steilküste sind beeindruckend, aber die
zahlreichen Betonbunker erinnern an die Schrecken des Krieges.
Obwohl am Tage die Sonne brennt, weht hier oben immer ein erfrischender
Wind und die Abende werden so kühl, dass man einen Pulli vertragen
kann. Zwei Tage, bis zum 25. Juli, bleiben wir an der Küste und
erholen uns von der brütenden Hitze der letzten Wochen.
Für den 28. ist der erneute Tausch von Schiff und Wohnmobil geplant,
es wird Zeit für uns weiterzureisen.
Über kleine Straßen kommen wir durch eine leicht wellige
Landschaft, die intensiv landwirtschaftlich genutzt wird. Weizenfelder,
Maisfelder und Wiesen mit gut genährten Kühen bestimmen das
Bild. Für einen Nachtplatz fahren wir in einen Feldweg, stehen
etwas erhöht am Rande eines Wäldchens und schauen über
die Felder.
Am nächsten Tag erreichen wir die Ardennen, wenden uns nach Süden,
wo die Maas sich durch die bewaldeten Berge schlängelt. Die Straße folgt den Windungen
des Flusses mal näher mal weiter entfernt und gibt immer wieder
den Blick auf Flussschleifen frei, die von „Moses“ kürzlich
passiert wurden.
In Sedan schauen wir uns das Fort an und sind wenig später am vereinbarten
Treffpunkt in Attigny, wo Bert, Kathrin, Indes und
Carlo schon mit „Moses“ festgemacht haben.
|